Aus dem fünften Akt von William Shakespeares Macbeth haben Woods Of Birnam ihren Namen übernommen. Das ist an diesem Abend in der Leipziger Moritzbastei ein besonders wichtiger Hinweis. Zum einen schafft es die Band aus Dresden, mit viel Nebel (die weiter hinten auf der Bühne platzierten Musiker am Schlagzeug und Keyboard könnten problemlos wie Leute der Blue Man Group, wie Osama Bin Laden oder wie Tier aus der Sesamstraße aussehen, ohne dass man das bemerken könnte) und einer tollen Lichtshow wirklich so etwas wie Theater-Atmosphäre auf die Bühne zu bekommen. Zum anderen enthält das gut 400 Jahre alte Drama einen sehr treffenden Hinweis darauf, wie die Musik von Woods Of Birnam funktioniert.
„Kannst nichts ersinnen für ein krank Gemüt?“, fragt Macbeth in der dritten Szene des letzten Akts. „Tief wurzelnd Leid aus dem Gedächtnis reuten? Die Qualen löschen, die ins Hirn geschrieben? Und mit Vergessens süßem Gegengift die Brust entledigen jener giftgen Last, die schwer das Herz bedrückt?“ Der Arzt, an den er diese Bitte richtet, erwidert bloß: „Hier muss der Kranke selbst das Mittel finden.“
Es ist diese Suche nach Trost und der Glaube an die Erlösung aus eigener Kraft, die aus den Liedern von Woods Of Birnam spricht. Die Atmosphäre erinnert oft an Hurts, die Dramatik lässt an Muse denken und diverse schöne (und manche nicht so schöne) Erinnerungen an die Eighties wabern während des Konzerts ebenfalls durch die gut gefüllte Moritzbastei. Hört man Songs wie Dance, das den Abschluss des regulären Sets in Leipzig bildet, passt es jedenfalls bestens, dass dort nach dem Konzert eine Depeche-Mode-Party auf dem Programm steht.
Das Publikum lässt noch einen anderen Schluss zu: Sollte demnächst jemand einen knackigen Begriff für das Genre „Musik, zu der Männer in geschlossenen Räumen Schals tragen“ finden, dann wären Woods Of Birnam eine der Speerspitzen. Es gibt im Publikum viel Kuscheln (bei den Pärchen) und SichMitGeschlossenenAugenSanftWiegen (bei den Singles) und eine ziemlich große Dresden-Fraktion (als Sänger Christian Friedel eine kurze Anti-Pegida-Ansprache hält, ist der Applaus entsprechend groß).
Apropos Friedel: Den anderen vier Musikern, alle ehemals bei Polarkreis 18 aktiv, hätte gar nicht Besseres passieren können als dieser Frontmann. Seine Stimme ist so gut, dass man sich fragt, warum er nicht von vorneherein Rockstar geworden ist (sondern Schauspieler). Allein seine Stimme und seine Präsenz schaffen es, die Musik von Woods Of Birnam, die übrigens bereits an ihrem zweiten Album arbeiten, viel einleuchtender und emotionaler klingen zu lassen als auf Platte. Das Quintett ist immer dann am besten, wenn er dominiert, etwa im akustischen Soon oder mit dem befreienden „Auuuuuuu“, das er in I Call Thee Hamlet herauslässt.
Man muss nicht so weit gehen und den (zweifellos hoch kompetenten) Rest der Band als „Problem“ zu bezeichnen, aber die Show in Leipzig zeigt auch, was Woods Of Birnam fehlt: Geschmackssicherheit. Wenn man Uwe oder Ludwig heißt, wäre das ein guter Anlass, sich einen Künstlernamen zuzulegen. Weiße E-Gitarren sollten außerhalb der Münchner Freiheit eigentlich auf dem Index stehen. Und Bassisten, die mit vermeintlich lasziven Bewegungen versuchen, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sind ebenfalls niemals eine gute Idee.
Auch für Christian Friedel gilt: Wenn er 10 Prozent seines überbordenden Talents gegen 10 Prozent mehr Coolness eintauschen könnte, wäre das für ihn ein guter Deal. In den besten Momenten des Konzerts in Leipzig spielt das freilich keine Rolle. Closer als zweites Lied des Abends ist so ein Moment, auch Woods Of Birnam als erste Zugabe gehört dazu. Mit Something’s Rotten gibt es danach sogar noch eine Prise echte Rockmusik und schließlich den Höhepunkt als zweite Zugabe: ein famos waidwundes Cover von Purple Rain.