Künstler | Yorkston/Thorne/Khan | |
Album | Navarasa: Nine Emotions | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2020 | |
Bewertung |
Neun Songs gibt es auf dem dritten Gemeinschaftwerk von James Yorkston (Gitarre), Jon Thorne (Bass) und Suhail Yusuf Khan (Sarangi), und sie entsprechen dem Konzept, auf das auch der Titel von Navarasa: Nine Emotions verweist. Navarasa ist eine traditionelle indische Idee, die eine Spanne von neun Gefühlen beschreibt, auf denen alle Kunst beruht.
Die Bandbreite reicht von Shringara (Liebe, Schönheit), Hasya (Lachen, Heiterkeit, Komödie), Raudra (Wut), Karuna (Trauer, Mitgefühl oder Barmherzigkeit), Bibhatsya (Ekel), Bhayanaka (Horror, Terror), Veera (Heldentum, Mut), Adbutha (Überraschung, Wunder) bis hin zu Shanta (Frieden, Ruhe). Für jeden dieser Begriffe gibt es hier einen Song. Das Ergebnis ist eine Symbiose verschiedener Einflüsse wie schon auf dem Debütalbum Everything Sacred (2016) und dem folgenden Neuk Wight Delhi All-Stars (2017). Das Klangspektrum zeigt manchmal so etwas wie Folksongs mit asiatischen Verzierungen wie The Shearing’s Not For You, manchmal energische und exotische Lieder wie das in Punjabi gesungene Waliyan da Raja (King Of Saints) oder abstrakt-mystische Stücke wie Thumri bhairavi.
„Weil wir so weit voneinander entfernt leben, haben wir nicht so viel Zeit zur Zusammenarbeit. Jeder bringt dabei eigene Ideen ein“, erläutert James Yorkston das Zustandekommen von Navarasa: Nine Emotions. Jon Thorne ergänzt: “Jeder hat für sich selbst zuhause an Songs und instrumentalen Passagen gearbeitet. Das haben wir dann im Studio zusammengetragen und gemeinsam ausgearbeitet. Manche Stücke waren schon vollständige Kompositionen, zu denen wir anschließend improvisiert haben. Andere sind erst entstanden oder wurden weiterentwickelt, während wir sie gespielt haben.“
Sukhe phool eröffnet das Album fast mit so etwas wie einem Drone, bevor nach 90 Sekunden ein vorsichtiger, zerbrechlicher, einsamer Gesang einsetzt. Stimme und Instrumente bleiben im Dialog, scheinen sich gegenseitig Mut oder zumindest Trost zuzusprechen. Es ist zugleich der Song, in dem Jon Thorne seinen prominentesten Auftritt hat. „Mir geht es darum, Fixpunkte innerhalb der Musik zu setzen, um eine Basis und einen Kontext für die Improvisationen zu erschaffen“, sagt er. „Indische Musik fußt sehr oft auf einem Drone, James liebt Krautrock, der ganz ähnliche Methoden einsetzt. Für mich selbst ist die Musik von ECM Records ein wichtiger Einfluss, wo der Bass so etwas wie ein Anker ist. Wenn ich im Studio bin, konzentriere ich mich einfach darauf, zuzuhören und auf das zu reagieren, was in diesem Moment passiert.”
In Song for oddur dominiert hingegen das Gitarrenpicking (“Die Arbeit mit Kreisen und Pulsen hat mein Gitarrespiel diesmal sehr beeinflusst”, sagt Yorkston), klassich begleitet von Mundharmonika und ein bisschen Klavier. Die Zeile „Love makes diamonds from coal“ zeigt, was Yorkston meint, wenn er darauf verweist, was die drei Musiker menschlich und musikalisch eint: “a dark happiness”.
Darbari beendet das Album als ebenso ruhiges wie geheimnisvolles Instrumental von mehr als 12 Minuten Länge. Der ungewöhnlichste Moment ist Twa Brothers, das im Kern eine Murder Ballad zu sein scheint. „Die Stimmung ist sehr stark vom Text beeinflusst, den James singt“, sagt Suhail Yusuf Khan. Seine eigene Stimme macht etwas, das man für seine ersten Versuche im Beatboxing halten könnte – die Kombination daraus ist allerdings eher mutig als gelungen. Das fast 10-minütige Now Westlin Winds’ hat die längste Geschichte der neun Stücke auf dieser Platte, Yorkston/Thorne/Khan haben es schon 2017 erstmals live gespielt. Der Text basiert auf einem Gedicht von Robert Burns. Für dieses Lied hat Suhail viele Qawwali gehört. Das sind muslimische Lieder, die er am Schrein von Hazrat Nizammuddin in Delhi hörte. Sie gehen zurück auf den indischen Dichter und Philosophen Hazrat Amir Khusrau – Schottland und Indien rücken hier also zusammen. Die drei Musiker erschaffen einen fein gewebten Teppich, über dem der Gesang schwebt und über den der Bass gelegentlich hüpft. Das Ergebnis wird zwischendurch auch ganz ohne Schlagwerk tanzbar.
Vielleicht am besten zeigt das instrumentale The north carr, wie die Musik von Yorkston/Thorne/Khan auf Navarasa: Nine Emotions funktioniert und was auch auf dieser Platte ihre Einzigartigkeit ausmacht: Intuition, Kooperation und Virtuosität.