Young Mountain – „Infraröd“

Künstler Young Mountain

Young Mountain Infraröd Review Kritik
Niedlichkeit gibt es bei Young Mountain nicht einmal an der Oberfläche.
Album Infraröd
Label Through Love Records
Erscheinungsjahr 2021
Bewertung

Cat Content? Das könnte man beim Blick aufs Cover von Infraröd, dem zweiten Album von Young Mountain, kurz denken und sich wundern: Das Quintett aus Göteborg war bisher nicht unbedingt für Niedlichkeit bekannt. Nun allerdings heißt der erste Track auch noch Lovely, und das letzte Stück des Albums hatte auf der von der Plattenfirma vorab zur Verfügung gestellten Version noch den Titel Good Song, bevor es für die finale Pressung in 9406 umbenannt wurde.

Schon ein flüchtiger Eindruck der sechs Songs, die eine Gesamtspielzeit von über einer halben Stunde erreichen, macht jedoch deutlich, dass solche Indizien in die falsche Richtung deuten. Young Monutain sind, wie schon auf dem 2019er Lost Tree, weiterhin grandios übel gelaunt und richten ihren Blick scharf auf alles, womit wir uns als Normalität abgefunden haben, obwohl es skandalös ist. Man erkennt hier schnell, dass die fünf Musiker diese Band ebenso als Instrument des Protests gegen diese Zustände nutzen als auch als persönlichen Zufluchtsort.

„Die Liebe zum Materialistischen ist das Wichtigste für die Menschen geworden. Wir reden zwar miteinander, aber hören wir uns überhaupt noch zu? Wir möchten nicht länger in einer Gesellschaft leben, die sich über den sozialen, mentalen und wirtschaftlichen Status definiert!“, stellen die Schweden klar, und einem Song wie Cherry Knot, der zwischen deprimiert und brutal schwankt, hört man diese Haltung sehr direkt an. Zugleich macht Infraröd schnell deutlich, was Young Mountain meinen, wenn sie ihre Musik als „Atmospheric Hardcore“ einordnen: Der Auftakt Lovely klingt, als spiele eine Metal-Band aus Versehen mit Shoegaze-Instrumentarium, dann wird das Schlagzeug zwischendurch anscheinend durch Kochtöpfe ersetzt, auch der Rest ist enorm abenteuerlich.

Wildfire und der Titelsong sind über weite Strecken ruhiger und leben von ihrem sehr geschickten Spiel mit Stimmungen und Dynamiken. 9406 überrascht als Abschluss von Infraröd mit Streichern, akustischer Gitarre, vorsichtigem Schlagzeug und einem Gesang, der rückwärts abgespielt sein könnte. Nach ungefähr zwei Dritteln scheint sich der Songs selbst eingeschläfert zu haben, um dann mit einer beachtlichen Wall Of Sound zurükzukehren. Worm beginnt als so etwas wie Emo, ist am Ende aber wieder so hart, dass die Fliegen, die man da summen hört, offensichtlich um einen Kadaver kreisen. Man darf vermuten, dass es sich dabei nicht bloß um eine tote Katze handelt.

Im Video zu Lovely hat die Katze auch einen Gastauftritt.

Young Mountain bei Bandcamp.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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