Film | Zeit des Erwachens | |
Produktionsland | USA | |
Jahr | 1990 | |
Spielzeit | 116 Minuten | |
Regie | Penny Marshall | |
Hauptdarsteller | Robert De Niro, Robin Williams, Julie Kavner | |
Bewertung |
Worum geht’s?
Leonard Lowe ist ein guter Schüler, liest gerne und ist beliebt bei seinen Freunden, mit denen er die kleinen Abenteuer der Bronx erkundet. Eines Tages bemerkt seine Lehrerin, dass seine Handschrift schlechter wird. Der Junge wird untersucht, doch niemand ahnt, was ihm für ein Schicksal bevorsteht: Er leidet an der Europäischen Schlafkrankheit. Zunächst versinkt er immer wieder für längere Phasen in einen Wachkoma-Zustand, nach einiger Zeit verbleibt er völlig darin. Er wird in eine Klinik eingeliefert, wo weitere Betroffene mit der gleichen Diagnose behandelt werden. Das beschränkt sich allerdings auf eine rudimentäre Pflege, denn die Krankheit gilt als unheilbar. Als der Neurologe Dr. Malcolm Sayer dort seine Stelle antritt, der vorher nur Forschungsarbeit betrieben hat, wird er auf Leonard aufmerksam. Der Arzt erkennt, dass die Patienten keineswegs komplett ohne Bewusstsein sind, sondern ihre Umgebung wahrnehmen. Er will nicht akzeptieren, dass es für sie keine Perspektive mehr geben soll als ihrem Tod entgegen zu vegetieren. Bald hat er eine konkrete Idee, wie man die Krankheit behandeln kann. Leonard, der seit 30 Jahren quasi in seinem Körper eingeschlossen ist, soll der erste Patient sein, an dem er ein neues Medikament ausprobiert. Die Behandlung schlägt tatsächlich an, hat jedoch Nebenwirkungen auf mehreren Ebenen, auf die weder der Arzt noch der Patient vorbereitet sind.
Das sagt shitesite:
Die vielleicht größte Stärke von Zeit des Erwachens ist die Tatsache, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht. Das meint einerseits die Tatsache, dass beispielsweise der Ablauf von klinischen Studien hier recht präzise nachgezeichnet wird, von der Idee über den Prozess der Genehmigung innerhalb des Gesundheitssystems bis hin zu den damit verbundenen Risiken. Andererseits meint es die erschütternde emotionale Wirkung, wenn Menschen, die jahrzehntelang keinerlei Möglichkeit hatten, am Leben teilzunehmen, plötzlich wieder aktiv werden, kommunizieren und gestalten können. Dieser Effekt wird hier noch verstärkt durch die Perspektive von Dr. Sayer als Neuankömmling: Seine Kollegen haben sich schon damit abgefunden, ihre Patienten mehr oder weniger als lebende Tote zu betrachten, denen nicht zu helfen ist. Sie sind in Routine gefangen, haben letztlich das Interesse an ihrem Job verloren.
Robin Williams ist eine fast zu offensichtliche Bestezung für diese Rolle. Er kommt als Kauz und Einsiedler in diese Klinik, hat bisher lieber an Regenwürmern geforscht statt sich mit echten Menschen zu beschäftigen und zieht sich abends in die Welt seiner Bücher zurück, statt auf die für jedermann ersichtlichen Avancen einer Krankenschwester einzugehen, die er nicht einmal bemerkt. Er wirkt vertrottelt und weltfremd wie in vielen seiner Rollen, aber er erweist sich dann, aus Pflichtgefühl und Empathie mit seinen Schutzbefohlenen, als überaus mutig und geht ganz allein ein beträchtliches Risiko ein. Natürlich bekommt er in Zeit des Erwachens auch seinen Club der toten Dichter-Moment, als seine Kollegen und Patienten erkennen, wie richtig er mit seiner anfangs belächelten Vermutung lag und ihn darob bejubeln.
Das Defizit dieses Films ist eine Schlagseite zum Melodrama, die durch die Originalität der Handlung und Emotionalität des Geschehens gar nicht nötig gewesen wäre. Die Kindheit von Leonard Lowe wird etwas zu ausführlich gezeigt, um auch sicher zu gehen, dass der Zuschauer den Kontrast zwischen dem aufgeweckten Jungen, dem alle Türen offen stehen, und dem apathischen Mann im Rollstuhl wahrnimmt. Auch sein Flirt mit Paula, die in der Klinik ihren Vater besucht und dort den gerade genesenen Leonard kennenlernt, wird viel zu sehr ausgewalzt, in der Beziehung zu seiner Mutter stecken ein paar weitere unnötige Sentimentalitäten.
Damit lenkt Zeit des Erwachens von seiner eigenen Botschaft ab, in der es im Kern nicht so sehr um Hoffnung geht, sondern um Respekt. „Ich bin grotesk“, sagt Leonard an einer Stelle, als die Medikamente dazu führen, dass er diverse Ticks entwickelt und unkontrollierte Bewegungen macht. Aber diese Selbsteinschätzung ist falsch. Egal, ob sie vermeintlich regungs- und bewusstlos umhersitzen oder nach dem Erfolg der Behandlung mit kindlicher Freude ihre neu gewonnene Autonomie genießen: Stets werden die Patienten maximal würdevoll porträtiert. Das ist keine Selbstverständlichkeit in einem Hollywood-Film und natürlich auch wegen der Lehre, die Dr. Sayer für sein eigenes Leben daraus zieht, ein wirkungsvoller Appell: Jedes Leben ist wertvoll, in jedem Moment.
Bestes Zitat:
„Was ich weiß ist, dass diese Menschen da drin lebendig sind.“